Die fortschreitende Digitalisierung nahezu aller urbanen Lebensbereiche ermöglicht die Vernetzung von Informationen und Daten. Neue, intelligente Angebote für Bürgerinnen und Bürger, für Verwaltungen und Unternehmen entstehen. Grundvoraussetzung sind zukunftsfähige Infrastrukturen, deren Aufbau und Betrieb immer öfter bei Stadtwerken übernommen werden. Denn Stadtwerke haben gegenüber großen Technologiekonzernen einen entscheidenden Vorteil: Sie haben das Vertrauen der Menschen vor Ort. Hinzu kommen die jahrzehntelange Erfahrung im Aufbau städtische Infrastrukturen und ein starkes lokales Partnernetzwerk, das die Entwicklung attraktiver digitaler Services und Dienstleistungen begünstigen. Ein Gespräch mit Andreas Weiss (Leiter Digitale Geschäftsmodelle beim eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.) und Dalibor Dreznjak (Leiter Unternehmensentwicklung und Kommunikation, Stadtwerke Wolfsburg AG) über die Chancen und Herausforderungen bei der Errichtung und Entwicklung neuer technischer Infrastrukturen sowie digitaler Technologien und warum Stadtwerke künftig die Rolle als digitaler Kompetenzträger vor Ort übernehmen könnten.
Alles redet von Digitalisierung – nicht nur im Privaten, sondern auch immer öfter in Bereich der öffentlichen Verwaltung. Alles was digitalisiert werden kann, soll möglichst digitalisiert werden. Wie groß ist der tatsächliche Veränderungsdruck bei Verwaltung und Unternehmen der öffentlichen Daseinsfürsorge auf intelligente Konzepte zu setzen?
Andreas Weiss: Verwaltungen mussten schon immer Strategien oder Konzepte entwickeln, die den Rahmen für eine räumliche und strukturelle Gesamtentwicklung bilden. Die Basis für die Zukunftsfähigkeit von Städten, Kommunen und Gemeinden ist eine nachhaltige Stadtentwicklung, die nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und natürlich auch soziale Belange gleichberechtigt betreibt. Und das alles natürlich auf Grundlage generationengerechter Finanzen. Das ist also nicht neu. Die Digitalisierung hat allerdings das Potential ein echter Booster zur Effizienzsteigung in vielen Bereichen der kommunalen Daseinsfürsorge zu werden. Es gibt nahezu keine Infrastruktur, die mittels Digitalisierung nicht effizienter, nachhaltiger oder fortschrittlicher gemacht werden kann. Das betrifft Gebäude, Mobilität, Dienstleistungen, Sicherheit und vieles mehr. Die Verfahrensvereinfachungen, wie zum Beispiel ein Führerscheinantrag, lassen sich recht gut umsetzen. Wenn wir aber von einem innovativen Öffentlichen Personennahverkehr und Mobilitätskonzepten sprechen, wird es schnell komplex, weil viele Bereiche zusammenspielen müssen. Wenn Sie so wollen, ist mit intelligent im Kontext der modernen Stadtentwicklung das große Versprechen verbunden, durch den digitalen Technologieeinsatz ganz unterschiedliche Probleme der Stadtentwicklung auf einen Schlag zu lösen. Das Ziel ist also klar, aber es braucht eine langfristige Strategie und das Wollen aller Beteiligten, den Sprung in das digitale Zeitalter auch mit Überzeugung zu wagen.
Für die digitale Transformation von Städten ist demnach die Errichtung der digitalen Infrastruktur von zentraler Bedeutung. Welche Rolle spielen kommunale Unternehmen bei deren Aufbau und Betrieb?
Andreas Weiss: Ich sehe hier ein wichtige Rolle, da über kommunale Unternehmen regionale Kompetenz und das Management der notwendigen Liegenschaften und Infrastrukturen dann oftmals zusammengelegt werden kann. Es gibt viele Möglichkeiten, im Rahmen des schon bekannten Arbeitsauftrages, den Ausbau moderner digitaler Infrastrukturen direkt mit einzubeziehen. Es liegt auf der Hand, dass es vor allem kommunale Unternehmen sind, die die modernen Lebensadern, d.h. Daten- und Kommunikationsnetze, am besten aufbauen und dann auch betreiben können.
Dalibor Dreznjak: Allerdings muss es auch mittelfristig wirtschaftlich sein, sonst wird es auf Dauer nicht funktionieren. Gerade als kommunales Unternehmen stehen wir immer auch vor der großen Herausforderung planbare Größen zur Kompensation der Investitionen zu formulieren und diese zu erreichen. Allein für den Netzausbau im Wolfsburger Stadtgebiet haben die Stadtwerke Wolfsburg AG und ihre Tochtergesellschaft WOBCOM GmbH seit 2017 mehr als 75 Millionen Euro in Eigenfinanzierung in den Netzausbau im Wolfsburger Stadtgebiet. Es reicht allerdings nicht aus Motor der kommunalen Digitalisierungsoffensive zu sein, sondern es muss auch kritische Masse erreicht werden, die die neue Infrastruktur nutzen will. Neben Bandbreite, Echtzeitverfügbarkeit, Sicherheit oder Energieeffizienz ist aber noch ein weiterer Punkt von großer Bedeutung…
Und welcher wäre das?
Dalibor Dreznjak: Kooperation. Moderne IT-Infrastrukturen sind immer die Voraussetzung für die Entwicklung digitaler Technologien, das liegt auf der Hand. Im zweiten Schritt braucht es aber auch Gegenstände, die Sie betrachten und bestenfalls positiv verändern wollen. Da braucht es nicht nur eine Verwaltung und kommunale Unternehmen, sondern da gilt es, viele Partner aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft an Board zu holen. In Wolfsburg wurde der Impuls zur Veränderungsbereitschaft bereits im Jahr 2016 mit der Initiative #Wolfsburg Digital zwischen der Stadt und der Volkswagen AG gesetzt. Auf dem Weg zu einer vernetzten Stadt kam man schnell zur Erkenntnis, dass es neben für eine moderne Infrastruktur auch etwas braucht, um Daten zu speichern und zu analysieren und daraus konkrete Maßnahmen abzuleiten, die das städtische Leben verbessern können, d.h. eine Datendrehscheibe.
Die Stadtwerke Wolfsburg haben sich bei der Datenplattform für den Aufbau einer eigenen Lösung entschieden. Warum und was sind die Besonderheiten?
Dalibor Dreznjak: In der Regel sind es Stadtwerke, denen die Bürger ihre Daten anvertrauen, da ein Stadtwerk, anders als ein global agierendes Unternehmen, vor Ort ansprechbar ist und damit in einer Stadt festverwurzelt ist. Was uns in Wolfsburg ein wenig von anderen Stadtwerken unterscheidet: Wir haben mit unserer Tochtergesellschaft Wobcom die digitale Kompetenz direkt im Haus – und das in Mannschaftsstärke! Aus diesem Grund haben wir von Beginn an einen ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der den gesamten Technologiestrang betrachtet: von der Entstehung der Daten (sei es über ein IoT Device oder andere Schnittstelle) über den Kommunikationsweg (Glasfaser oder z.B. LoRaWAN) bis hin zur Verarbeitung der Daten im Rechenzentrum und in unserer Offenen Digitalen Plattform (ODP) sowie der letztlichen Verwendung der Daten z.B. in einer App, einem Dashboard für die Verwaltung oder einer Schnittstelle zur weiteren Verarbeitung. Alles aus einer Hand – made in Wolfsburg.
Werden Stadtwerke also zum zentralen City-Manager der Zukunft?
Andreas Weiss: Im Bereich des technischen Managements liegt das recht nahe. Für gesamtheitliche Konzepte Richtung Smart Cities bedarf es aber eine wesentlich breitere Beteiligung und verteilter, aber aufeinander abgestimmter, Verantwortlichkeiten. Bei allen Szenerien sind sowohl die kommunalen Anforderungen als auch die der Wirtschaft und der Bürger zu berücksichtigen. Es geht um kooperative Ansätze und wir müssen raus aus dem Silo denken. Eine zentrale Funktion ist dabei die gemeinschaftliche Nutzung von Daten, um für alle Beteiligten Mehrwerte zu schaffen.
Viele Bürger:innen haben Befürchtungen hinsichtlich der Verwendung ihrer Daten. Stichwort: Datensicherheit. Wie gelingt es kommunalen Unternehmen die digitale Souveränität zu gewährleisten und sichere Services anzubieten?
Andreas Weiss: Das ist ein ganz zentrale Herausforderung und der Grund, warum wir an Konzepten wie Gaia-X in Verbindung mit Datenräumen diskutieren. In Gaia X sprechen wir von Föderationen, die als kooperative Gruppen im digitalen Raum zu verstehen sind. In diesem Kontext werden gemeinschaftliche Regeln und Vertrauensmechanismen vereinbart. Dazu gehören auch verbindliche Verfahren zur Absicherung von Daten und wirksame Nutzungsvereinbarungen. Das so etwas möglich ist, zeigen wichtige Initiativen wie Catena-X im Bereich der Automobilwirtschaft und dem parallel im Aufbau befindlichen Mobility Data Space und einer Vielzahl von weiteren Projekten wie Gaia-X4Mobility.
Und wann werden unsere Städte tatsächlich smart sein?
Andreas Weiss: Das werden die Anwender definieren. Damit das aber überhaupt passieren kann, müssen elementare Grundlagen geschaffen werden. Digitale Infrastrukturen für Konnektivität und Datenverarbeitung in der Edge und in der Cloud und der Aufbau von Daten-Ecosystemen. Erst damit können sich innovative Anwendungen entwickeln, die als „smart“ zu bewerten sind. Ein Online-Buchungssystem für Behördengänge oder ein ÖPNV-Fahrplansystem ohne Echtzeitbezug gehören nicht dazu, das sollte schon längst der Standard sein.
Dalibor Dreznjak: Alles steht und fällt aus meiner Sicht mit der Akzeptanz der Stadtgesellschaft, dass digitale Technologien einen echten Mehrwert darstellen. Das braucht natürlich auch ein Umdenken im Kopf. Schwachstellen identifizieren, Veränderungen zulassen und vor allem die Erkenntnis, dass eine Investition mittelfristig zu einer Kostenersparnis führt. Das erweitert wiederum den finanziellen Handlungsspielraum für anderen Aufgabenfelder der kommunalen Daseinsfürsorge und hat insgesamt einen positiven Effekt für das Zusammenleben von Menschen in einer Stadt.
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